Kennst du die Erwartungen, die du an dich selbst, an Menschen oder an das Leben hast? Wie solltest du sein, wie andere Menschen und wie die Welt? Was muss passieren oder was darf in deinen Vorstellungen auf gar keinen Fall passieren? Hast du eine Ahnung, wieviel Energie, Aufmerksamkeit und Zeit du investierst, um diesen ganzen inneren Anforderungen halbwegs gerecht zu werden? Und was für Reaktionen erfährst du im Außen auf deine Anstrengungen?
Die Antworten darauf scheinen komplex und verwirrend, deshalb hier der Versuch einer Landkarte…
Erwartungen können positiv als auch negativ konnotiert sein. Manch innere Bilder laufen bewusst und willentlich ab, während andere wiederum komplett unbewusst arbeiten. Je nach Mischung sozusagen, können die eigenen Erwartungen das Leben zur Hölle oder zum Paradies auf Erden machen. Das verbindende Merkmal aller Erwartungen ist jedoch, dass sie das Leben berechenbar wirken lassen, liefern sie doch stets aufs Neue das, was bereits bekannt ist.
So liegt vermutlich im ur-menschlichen Bestreben nach Vertrautheit, aka Sicherheit, der entscheidende Ansatz dessen, warum sich so viele Menschen ein Leben lang gefangen fühlen, in den Umständen ihres Lebens.
Was, wenn hier ein Denkfehler liegt und die eigenen Erwartungen mehr Aufmerksamkeit, Pflege und Updates brauchen, als sie meistens bekommen? Was, wenn sie vielleicht gar nicht den eigenen Wünsche und Vorstellungen entsprechen, sondern kopiert und übernommen wurden? Sei es, um sich selbst zu schützen oder um sich als zugehörig zu empfinden. Was, wenn die Erfahrung von Vertrautheit, Zugehörigkeit und Sicherheit viel mehr auf Mut, Vertrauen und Freiheit beruhen, als auf Bekanntheit? Und wie umgehen mit dem Verlust von wirklich neuartigen Erfahrungen?
Jeder Mensch verkörpert eine Geschichte
Erwartungen sind geistig verkörperte Repräsentationen der Vergangenheit eines Menschen. Wobei ziemlich egal ist, ob es sich dabei um die eigenen Erlebnisse oder um Erfahrungen der Großeltern, Eltern oder Geschwistern handelt. Entscheidender ist, dass diese Erfahrungen solch einen großen Eindruck hinterlassen haben, dass sie bis heute, ungefragt und automatisch, Prognosen für zukünftige Situationen abgeben. Es sind vor allem die schwierigeren Erfahrungen, die diese energetische Wucht haben. In der festen Absicht, sicher durch die Welt zu kommen, formen sie die Gegenwart und die Zukunft, aus einer vergangenen Perspektive und den zugehörigen Überlebensstrategien.
Der Versuch, aus verzerrten Überzeugungen heraus für Sicherheit zu sorgen, endet zwangsläufig in einer Dusche aus Stresshormonen und den als negativ bezeichneten Emotionen »Frust«, »Schuld« oder »Selbsthass«. Mit anderen Worten in einem Ausdruck des Leidens, anstatt in echter Sicherheit.
Währenddessen macht Energie das, was in ihrer Natur liegt – sie folgt der Aufmerksamkeit, wohin auch immer diese geht. Und eben diese Dynamik, kann sich als eine Art der Gefangennahme gestalten: Wenn sich die eigene Aufmerksamkeit und Energie auf genau eine Perspektive fixiert, dann sind unendlich viele andere Möglichkeiten verloren.
Mindestens ebenso wirksam kann die Dynamik zwischen Aufmerksamkeit und Energie genutzt werden, um sein Leben zu befreien.
Schau dir mal deinen Alltag an: Was läuft easy von alleine und was läuft beschissen, ohne dass du das mit Absicht so willst? In ihrer deutlichen Normalität kannst du Erwartungen gut erkennen. Das Erkennen gewohnheitsmäßig ablaufender Programme, kann zum transformativen Moment werden, der ein Leben in unbekannte Bahnen schleudert. Häufig zum Wohle aller Beteiligten.
Denn, eine bewusste Aktualisierung und das bewusste Auswählen der inneren Bildern, definiert neue energetische Richtungen und versetzt in die wundersame Lage, Grenzen zu überschreiten, die bisher unüberwindbar oder tabu waren. Als Folge dieses Sprungs wird noch mehr Energie freigesetzt, was dazu führt, dass sich immer mehr und höher schwingende Energie bewegen darf. Und diese hohe Frequenz fühlt sich dann an wie die Emotionen, die als positiv bezeichnet werden: »Freude«, »Dankbarkeit«, »Glück«, »Vertrauen«, »Liebe«, »Frieden«, »Leichtigkeit«.
Über ein bewusstes Imaginieren werden Geist und Materie nachhaltig beeinflusst, da sich die eigene Energie auf neue Interessen ausrichten kann. Im Grunde ist das genau so wie Erwartungen funktionieren, nur mit Updates und einer sorgfältigeren Auswahl.
Die Frage ist also: Wie würdest du die Wünsche und Bilder beschreiben, die du heute in deinem Leben verkörpern willst? Welche Erfahrungen möchtest du machen? Und wie reagieren deine Sinne auf dieses Image? Hörst du Töne, hat es einen Geruch oder eine bestimmte Textur? Welche hochschwingenden Emotionen, das heißt positive, fühlst du bei dieser Vorstellung? Welche Körperempfindungen spürst du? Denn, indem du deine Imagination mit sinnlichen Empfindungen verbindest, öffnest du erfahrbare Brücken zu noch unbekannten Realitäten.
Praxis ist alles
Nimm dir etwa 12 Minuten Zeit, um das bisher Gesagte auch praktisch zu erfahren. Du benötigst Schreibzeug und einen Raum, in dem du ungestört bist.
Stelle dir den Timer auf 5 Minuten und beschreibe mit Worten einen Bereich in deinem Leben, in dem du etwas Neues erfahren willst. Das kann ein neuer Job sein oder eine frische Art mit Geld, Gesundheit, Zeit oder Liebe umzugehen. Gerade in elementaren Lebensbereichen, halten sich oft die hartnäckigsten unbewussten Erwartungen. Beschreibe, wie genau die neue Erfahrung aussieht: XY mehr Geld verdienen im Jahr, unabhängig von einem Ort arbeiten, schmerzfrei sein an mindestens 5 Tagen in der Woche, etc.
Atme beim Schreiben tief und langsam durch die Nase und beschreibe auch, wie du dich bei dieser Erfahrung fühlst: Glücklich, dankbar, entspannt, großzügig, geliebt, verbunden, leicht, etc.
Stelle dir den Timer nach dem Schreiben erneut auf 5 Minuten und schließe deine Augen. Spüre deine Körper und atme tief und langsam über die Nase. Spür jetzt, wie sich das eben beschriebene Image in deinem Körper anfühlt.
Atme die ganze Zeit voll und spüre alle Empfindungen und Emotionen die da sind, ohne dass du damit etwas machen oder daran etwas änderst musst. Du spürst, wie sich die Muskeln um die Schultern, am Nacken oder am Kiefer anspannen? No action needed. Nimm die Anspannung wahr, atme weiter voll und spüre, wie dein Körper darauf reagiert, dass er gesehen und so akzeptiert wird, wie er in diesem Moment ist. Und falls Bewegungen da sind, lass sie einfach geschehen.
Wenn der Timer wieder klingelt, nimm erneut ein paar bewusste Atemzüge, dann öffne die Augen und schaue dich im Raum um. Dehne, strecke und beweg dich kurz im Stehen, vielleicht willst du ein paar Mal auf- und ab hüpfen. Wenn du magst, mache ein paar Grimassen mit dem Gesicht und beweg auch hier die Muskeln.
Wie würdest du deine Erfahrung mit dieser Übung beschreiben? Was passiert, wenn du diesen Wunsch körperlich spürst? Und hast du etwas Neues über deinen Wunsch und seine Emotionen und Empfindungen erfahren?
(Veröffentlicht am 23.07.2022 auf Matristische Moderne via Steady)