
Egal wo und in welcher Situation, in meinem eigenen Leben, im Gespräch mit Menschen um mich herum oder in Prozessen mit Klient:innen – immer wieder geht es um das Thema von Klarheit.
Wie klar kann und will ich sein?
Wie direkt und transparent kommuniziere ich diese Klarheit?
Ich höre mich um den heißen Brei herumreden, anstatt ganz einfach zu sagen, was mich stört oder was ich will. Ich zweifle an meiner Wahrnehmung und bleibe lieber höflich. Ich sage nichts, obwohl ich mich wundere oder obwohl es offensichtlich gelogen ist. Ich lasse mich auf eine langweilige Diskussion ein, anstatt mich einfach umzudrehen und wegzugehen.
Und ich höre die Stimme in mir, die sagt „du bist schon ganz schön klar und direkt, sei nicht so streng und penibel. Oder „sei nicht so empfindlich!“.
Ja, ich habe eine messerscharfe Wahrnehmung und ich kann genauso präzise mit meinen Worten sein. Für manche Menschen ist das ungewohnt und für manche ist das krass.
Um auf gar keinen Fall als bedrohlich rüberzukommen, habe ich lange Zeit meines Lebens in Kauf genommen, dass mir viele Menschen ausgiebig über meine persönlichen Grenzen getrampelt sind. Sehr oft hat sich etwas in mir absolut geweigert, klar und sehr direkt zu sein und dadurch eventuell als intensiv, einschüchternd oder verletzend wahrgenommen zu werden. Ich wollte auf gar keinen Fall gewalttätig sein. Wahrscheinlich hätte ich mich einfach deutlich besser geschützt, wäre ich richtig krass gewesen.
Ich experimentiere und lerne mit diesem Thema schon mein ganzes Leben lang, und es bewegt und verändert sich die ganze Zeit. Und doch ertappe ich mich nach wie vor dabei, wie ich checke, ob das, was ich wahrnehme und sagen will zu klar, zu scharf, zu hart, zu direkt sein könnte. Zu beängstigend. Zu verletzend.
Doch genau dann, wenn ich am Checken bin, weil ich mir Sorgen mache oder Angst habe, einen Menschen vor den Kopf zu stoßen, dann bin ich angespannt. Und wenn in angespannt bin, bin ich meistens härter und schärfer als ich es beabsichtige.
Klarheit und Verantwortung
Das zweite Thema, was im Moment überall präsent ist, ist das der radikalen Eigenverantwortung.
Jedes Mal wenn ich praktiziere, meine Klarheit transparent zu verkörpern und zu kommunizieren, betrete ich einen Ort des Nicht-Wissens. Einen Ort der Unsicherheit. Ich weiß nie, ob es mir gelingt, auf entspannte Art klar und direkt zu sein, obwohl es mir Angst macht, eventuell eine Emotion oder einen Schmerzpunkt in meinem Gegenüber zu berühren.
Dazu kann ich auch nie wissen, wie mein Gegenüber auf das reagiert, was ich sage. Ich weiß nicht, ob es sich für den anderen Menschen beängstigend oder verletzend anfühlt, obwohl das gar nicht meine Absicht war. Vielleicht weckt es auch Ärger in einer Person, die dann anfängt auszuteilen und anfängt mich zu verletzen, anstatt etwas zu hören, was ihr vielleicht Angst macht oder sie schmerzt. Eine andere Person reagiert vielleicht sofort mit Vorwürfen und allen möglichen Regeln, die ich ihrer Ansicht nach im weiteren Gespräch befolgen muss, damit eine Kommunikation überhaupt noch möglich ist. Vielleicht gibt es einen Konflikt. Vielleicht Distanz und Kontaktabbruch. Vielleicht ist die Freundschaft am Ende.
Und obwohl wir uns gegenseitig brauchen, um all diese erlernten Spielarten zu hinterfragen, zu verlernen, neu auszuloten – die Kapazität für den Raum der eigenen Verletzlichkeit, die findet letzten Endes jeder Mensch in sich selbst. Die Art und Weise, wie wir auf das reagieren, was uns berührt, liegt in den eigenen Händen. Oder besser gesagt dürfen wir die Verantwortung dafür in die eigenen Hände nehmen.
Und so antworten, wie wir uns das wünschen. Weil es sich gut anfühlt. Weil es entspannt. Weil es mit Ruhe einhergeht, mit Leichtigkeit oder mit Lebendigkeit.
(Veröffentlicht am, 07.09.2025)