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Zeit, glücklich zu sein

Diese Woche hab ich mich selbst für 2,5 Tage so richtig schön fertig gemacht.

Ich habe mich für alles, was ich gemacht habe und für alles, was ich nicht gemacht habe, schuldig gefühlt und ganz schlimm geschämt. Ich konnte anderen Menschen kaum noch unter die Augen treten, ich bin von drinnen nach draußen getigert und ich wollte mich auf einem Bänkchen in Luft auflösen.

Nach einer genussvollen intensiven Nacht mit Tanz und Quatsch machen, habe ich mir selbst den krassesten Kinnhaken gegeben, der in diesem Moment möglich war. Why?

Wie kann es sein, dass das Erleben von Kontrolle loslassen und mich leichtfüßig treiben lassen, in strengste Bestrafung umschlägt? Ist es ganz banal das traurige Runterkommen von der Ekstase? Erlebe ich nach Glücksmomenten just deutlicher, wie die sozialen Wächter, genannt »Schuld« und »Scham« und »Gewissensbisse«, mich am nächsten Mittag wieder zurück in meine Zelle führen? Erst zetere ich, doch wenn alles wieder back to normal ist, dann sehe ich die Ketten nicht mehr. Alltag läuft. Ist es wirklich zu meinem Besten, dass dieses fein kalibrierte innere Wertesystem mein Verhalten ständig überwacht, analysiert und bewertet? Ist es ein Zeichen von Gesundheit, dass ich mich so schlecht fühlen kann, wenn ich mich menschlich und gefühlt neben dem abgesegneten Wertesystem benommen haben? Das ist ziemlich egozentrisch und auch ziemlich »normal«, oder? Und zumindest bin ich dann keine Soziopathin, wenn all das anspringt, oder?

Keine Ahnung, ob meine innerlichen Erklärungen die passende Spur aufgenommen haben – und ehrlich gesagt, ist es mir auch egal. Es hat sich furchtbar angefühlt. Es hat sich genau so angefühlt, wie ich mich nicht fühlen will.

2,5 Tage lang!

Wieviel Zeit unseres Lebens verdaddeln wir in Zuständen, die wir nicht mögen, die uns runterziehen, die uns den Spaß verderben? Zeiten, in denen wir uns selber schlecht machen? Erfahrungen, die giftig sind?

Wieviel Zeit unserer Lebenszeit, sind wir wirklich glücklich und zufrieden?

Foto Katrin Pauline Müller

Wir gehen so unbedacht mit den Ressourcen von Zeit und Glück um. Und wir können jeden Moment neu wählen.

Wir können jederzeit wählen, glücklich zu sein.

Wir können jederzeit wählen, unsere Bedürfnisse ernst zu nehmen.

Wir können jederzeit wählen, Verständnis für die Bedürfnisse von Anderen zu haben.

Wir können jederzeit wählen, die Bedürfnisse und die Ressourcen von Mutter Erde ernst zu nehmen und zu achten.

Du, ich, die Bäume, die Steine, die Tiere, die Erde, die Gewässer und die Sterne, wir alle lieben Glück, Freude und Zufriedenheit.

Glück hat mit dem Eintauchen in Momente zu tun. Wenn ich mich dem Moment hingebe, ohne mich mit Händen und Füßen zu wehren, so dass er mich mit einem Mal verschlucken darf. Und ich auf meiner weiteren Reise ALLES spüre, was mir begegnet. Wenn ich Ärger und Frust spüre. Wenn ich Selbsthass und Scham spüre. Wenn ich Angst und Schuld spüre. Hä, denkst du. Wieso soll ich mich an den ganzen Shit hingeben? Was für einen Sinn hat es, mich hinzugeben an Schmerz?

Ich habe keine logisch vernünftige Weisheit parat, doch es fühlt sich so an, dass sich jede Erfahrung nur dann verändern und verarbeiten kann, indem ich sie ganz spüre, aka mich hingebe. Ich glaube, wie geben uns so gut wie nie hin. Ich glaube auch, es ist eine Illusion, dass wir eher bereit sind, uns an Glück und Freude hinzugeben, als an Furcht und Schuld.

Ich glaube, wir sind es überhaupt nicht gewohnt, uns einer Erfahrung hinzugeben. Wir wehren uns gegen die Wucht der Hingabe und wir leiden unter dieser Ambivalenz.

Solange wir dieses Jein, welches ein niedrigschwelliges Nein ist, nicht bewusst zum JA oder NEIN machen, solange kommen wir nicht raus aus Selbsthass, aus Beziehungsstress, aus Alltagstrott und Arbeitsstress. Ebenso wenig, werden wir dem Klimawandel, dem Artensterben und der gesamtplanetaren Deadline mit einem Jein irgendetwas entgegensetzen können.

Ohne Hingabe können wir nichts lieben.

Der ganze Kosmos gesundet an unserer Liebe, an unserer Freude und an unserem Glück. Um mit diesen Frequenzen zu leuchten, müssen wir ein ums andere Mal, in den dunklen und klebrigen Morast aus unbequemen Erfahrungen, Empfindungen und Emotionen eintauchen. Bis wir uns nicht länger wehren, sondern wir unsere Stirn auf den Boden legen. Dann jauchzt das Leben und atmet ein und aus. Dann schwimmen wir im klaren Wasser und sammeln Kraft für die nächste Runde.

(Veröffentlicht am 04.09.2021 in Matristische Moderne via Steady)

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