In ein paar Tagen, am 08. November, wird am Himmel ein Vollmond zu sehen sein, der in manchen Regionen der Erde mit einer Mondfinsternis einhergeht. In einigen Ländern wird eine totale, in anderen eine partielle Finsternis erwartet, in weiten Teilen Europas wird die Verdunkelung unsichtbar bleiben.
Wo du stehst, definiert die Koordinaten der eigene Wirklichkeit und „Wahrheit“. Du kannst dich direkt neben mir befinden und doch eine andere Mondin sehen als ich. Dieses äußerst faszinierende Phänomen führt häufig zu innerem Zweifel oder zu Konflikt im Außen, anstatt dass wir es mit Neugier erforschen.
Dabei ist es letzten Endes unwichtig, ob du meiner Meinung bist oder ob ich die Welt ganz anders wahrnehme. Ja, der Dialog über Standpunkte und klare Absprachen ist wichtig, ebenso das Teilen von Werten und Emotion. Dagegen fressen Abwehr, Vorwürfe, Rückzug und Rechthaberei viel zu viel Zeit und Energie, und sie sind ein Ausdruck von Unsicherheit und Angst.
Bild: Catherine Zarip, „Night“, Estonia, 2012 (The Library Of Esoterica, Taschen)
Alles beginnt bei mir selbst
Die Frage ist reibe ich mich daran auf, im Außen etwas verändern zu wollen oder spüre ich, was ICH brauche und wünsche? Der verbreiteten Annahme, hierbei handle es sich um eine »schlechte«, weil egoistische Haltung, möchte ich an dieser Stelle entschieden widersprechen. Vielmehr beginnt jeder Ausdruck der Solidarität mit einem anderen Lebewesen damit, dass ich mich zuallererst um mich selbst kümmere. Alles andere ist ein verborgener Deal.
Deshalb zurück auf Start, zum eigenen Raum innerhalb einer verkörperten Landschaft. In meinem individuellen Körperwesen, liegen die Hinweise auf die nächsten Schritte im Spiel des Leben. Und indem ich mein Empfinden ernst nehme, wird dieser Raum zum einzigen Ort, an dem ich wirklich etwas gestalten kann. Zugleich lebt dieser Raum vom Austausch mit dem größeren Raum, der mich umgibt. Er braucht die Reibung um sich selbst zu formen, zu schleifen und schlussendlich zu polieren. Als empfindsame Wesen, verwoben im Netz des Leben, spüren wir uns gegenseitig sehr genau. Wir wissen, an was wir uns reiben müssen, damit die eigene Wahrheit irgendwann leuchtet wie ein Kristall, in dem sich das Sonnenlicht bricht. Schließlich sind wir hierher gekommen, um das eigene Licht sichtbar zu machen.
Und wenn ich die Augen öffne und alles leuchtet, dann sehe ich eine neuartige Welt. Eine Welt mit Menschenwesen, die sich selbst lieben und gut mit sich sind. Darin liegt für mich eine Art der Fürsorge, von der ich seit langem träume und die sich über Imitation verbreitet. Von da aus sind wir von innen her solidarisch und können uns sehr viel Theater sparen.
Folge den somatischen Spuren
Wie folgst du deinem Glück und machst es sichtbar? Wie fühlt es sich körperlich an, wenn du das bist, was als »glücklich« bezeichnet wird? Ist es das Einhüllen in einen weichen Umhang, an dem alle Wahrheiten so sanft abperlen wie Wasser? Oder ist es eine Ruhe im Kopf, welche bis in die Weiten des Kosmos klingt?
Welche Energiequalitäten verkörperst du? Ist es kühle Leichtigkeit oder warme Schwere? Prickelndes Vibrieren oder schnelle Schauer, die den Rücken hoch- und runter laufen? Oder ist es genussvolle Weite im unteren Bauch? Egal wohin wir schauen, Körper und Lebewesen repräsentieren in erster Linie eine unendliche Diversität. Und es ist diese Vielfalt, welche den Wert und die Resilienz des Lebens ausmacht.
Im Kern pulsiert jedes Lebewesen in einer ganz spezifischen Frequenz, doch erst durch verschiedenartige Töne, hören wir die Musik, die einer Taschenlampe gleich auf das Gewebe des Lebens scheint. Manche Schritte leuchten auf, indem wir etwas alleine machen, andere Schritte brauchen den Austausch mit anderen. Ich bin sehr dankbar für alle Wesen, die mir einen Einblick in eine fremdartige Welt gewähren, denn in ihnen höre ich die Zukunft.
(Veröffentlicht am 05.11.2022 auf Matristische Moderne via Steady)