Unsere Welt dreht sich immer schneller. Wohin, ist erschreckend unbekannt. Was soll die alte Ordnung aufrechterhalten? Die Gemüter reden sich heiß über die Regeln, dass mir schwindelt. Freiheit vs. Sicherheit. Individualität vs. Solidarität. Ist es wirklich so einfach? Die Vibration von Verunsicherung und Angst liegt wie ein Schatten über der Menschheit. Veränderungen liegen in der Luft. Große Veränderungen.
Genau jetzt hängen Freiheit, Gleichheit und Solidarität am seidenen Faden. Per Definition pflegen demokratische Staaten liberale Werte und die Akzeptanz einer Opposition. Demokratische Gemeinschaften schützen Grund, Bürger- und Menschenrechte. Ein demokratisches System achtet Gewaltenteilung und agiert grundsätzlich verhältnismäßig. Doch die Basis jeder Demokratie ist und bleibt, die Kraft und die Selbstverantwortung ihrer Bürger*innen.
Es heißt, der Ton macht die Musik. Ganz ehrlich, die Tonalität in den Medien erschreckt mich. Mit großem Nachdruck wird ein Resonanzraum aufrechterhalten, der in Windeseile alle Narrative diffamiert oder löscht, welche anders klingen, als die einstimmige Meinung von Seiten der Politik, Wissenschaft und Lobby. Ich frage mich, woher dieses Beharren auf einen alleinigen Wahrheitsanspruch kommt und warum so hartnäckig darauf bestanden wird. Nein, die Fakten können es nicht sein, denn die sind komplex und lassen viele Fragen offen.
Im öffentlichen Personennahverkehr schallt neuerdings allen Mitfahrenden, penetrant bei jeder Haltestelle, ein Aufruf zu 3G in die Ohren. Wenn ich die Artikel in der Tagespresse verfolge, dann muss ich mich inzwischen fragen ob es mir noch zusteht, dass ich mir überhaupt solche Gedanken mache. Denn ich bin ja weder studierte Philosophin, noch studierte Journalistin oder studierte Medizinerin. Warum und wofür wird solch ein Horror-Szenario heraufbeschworen?
Unterm Strich geht es hier gerade um unsere gemeinsame Zukunft als Menschheit. Es geht um unser aller Leben auf dieser wunderschönen lebendigen Erde.
Wir sind deutlich dazu aufgefordert, eine alte Haut abzustreifen, während wir mit offenen Augen ins Unbekannte schauen. Ja, solch ein Abstreifen birgt potentiell die Gefahr, dass wir ihren Ausgang niemals sicher voraussagen können. Es könnte ja auch schief gehen. Ebenso ist ein Abstreifen auch immer ein Verlust, und der Umgang mit Verlust braucht Übung, Mut und Vertrauen. Gleichzeitig birgt jeder Verlust die Chance einer Erneuerung.
Eine Tür schließt sich, eine andere Türe öffnet sich.
Ehemals Vorbilder aus Politik, Wissenschaft und aus der links-intellektuellen Szene lösen sich vor meinen Augen auf. Leute, von denen ich bisher dachte, dass es ein Segen ist, dass sie im Mainstream angekommen sind. Diese waken Akteure der Mainstream-Medien offenbaren aktuell mit voller Wucht ihre Abgründe, die von einer grundlegend fehlenden Akzeptanz gegensätzlicher Haltungen, Schwarz-Weiß-Denken und von Gehässigkeit gezeichnet sind. Oberflächlich individuell, tritt diese Blase als moralisch rechthaberischer Mob auf, der sich darüber einig ist, was abgeht in der Welt und wie Menschen sich dazu zu verhalten haben. Wenn sie denn »gut« und bei Sinnen sind. Echt jetzt, Leute?
Was ich hier laut und deutlich höre ist, dass die Zeit der Gurus endgültig zu Ende geht. Jede*r von uns ist ab sofort der eigene Kompass mit einzigartiger Kraft. Wir brauchen jetzt wirkliche Individualität, die damit klar kommt, sich auch mal alleine zu fühlen. Wobei dieses »alleine sein« etwas grundlegend anderes ist, als einsam oder isoliert. Es ist ein bei sich selbst sein und da bleiben. Dann bist du nie allein. Gleichzeitig brauchen wir echte Verbundenheit mit anderen Menschen, die auch ihr eigener Kompass sind. Nur so können wir über Dichotomie, Dualität, Bewertung und Trennung hinausgehen. Vielleicht können wir uns dann auch wieder besser zuhören.
Das alte Lied von Hass und Liebe
Wir alle kennen die Story um »Gut« & »Böse«, wir haben schon bei so vielen Varianten davon mitgefiebert. Harry, Hermine, Ron & Voldemort, Frodo, Gandalf, Galadriel & Sauron, Luke Skywalker & Darth Vader, um nur ein paar wenige zu nennen. Dieser Tanz ist ein altes Spiel.
Für was willst du deine Zeit, Energie und Aufmerksamkeit geben? Kämpft Liebe für etwas und Hass gegen etwas? Kämpft Liebe überhaupt? Es scheint an der Zeit, dass wir lernen, Gegensätze und Widersprüche zu akzeptieren. Sozusagen Liebe 2.0. Die Wahl, wofür wir stehen, die treffen wir immer wieder aufs Neue. Auch die Verantwortung. Und das Leben, das folgt stets unserem Skript. Mir scheint, so bekommt auch »das Unbekannte« einen anderen Geschmack.
Wir können jeden Tag, die Art von Geschichten über die Welt und ihre Menschen erzählen, die wir erleben wollen. Die Geschichten, die wir schön finden. Weil sie uns glücklich machen. Ich glaube, die Erde und das Leben lieben Freude und Glück. Liebst du es auch?
Erinnerst du dich, dass alle Menschen zur Familie der Menschen gehören? Charles Eisenstein hat kürzlich dazu einen schönen Essay geschrieben. Check it out! Als Menschenfamilie gehören wir, gemeinsam mit der Familie der Tiere, der Familie der Pflanzen und vielen anderen Familien, zur großen Gemeinschaft des Lebens. Das Leben ist heilig und der Tod ebenso, steht er doch wie das Abstreifen einer alten Haut, für die Regeneration des Lebens. Wir stehen vor einem grundlegenden Wandel unserer Gewohnheiten, wenn wir als Menschheit weiterhin dieser Gemeinschaft angehören wollen.
Aufbruch und Melancholie hängen in der kalten Winterluft, ähnlich dem Gesang von Nick Cave. Am Himmel kehren die Drachen zurück. Lautlos und langsam fliegen sie ihre Runden. Wie schon viel Male, öffnen sie die Pforte zu Schönheit und Wunder.
Mögen alle Wesen glücklich sein.
Musik: Nick Cave & The Bad Seeds, Ghosteen, Sun Forest
(Veröffentlicht am 09.12.2021 auf Matristische Moderne via Steady)